S/1999/957 Bericht des Generalsekretärs an den Sicherheitsrat über den Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten
8. September 1999
I. Einführung
1. Am 12. Februar 1999 hielt der Sicherheitsrat eine öffentliche Sitzung über die Frage des Schutzes von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten ab. Der Rat stellte mit Besorgnis fest, daß Zivilpersonen auch weiterhin unter flagrantem Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und das Recht auf dem Gebiet der Menschenrechte in bewaffneten Konflikten zum Ziel gemacht werden (S/PRST/1999/6). Der Rat ersuchte mich, einen Bericht mit Empfehlungen dazu vorzulegen, wie der Rat tätig werden kann, um den persönlichen und rechtlichen Schutz von Zivilpersonen in Situationen eines bewaffneten Konflikts zu verbessern. Diesem Ersuchen entsprechend lege ich dem Sicherheitsrat hiermit diesen Bericht vor.
2. Trotz der Verabschiedung verschiedener Übereinkünfte auf dem Gebiet des Völkerrechts und der Menschenrechte in den letzten 50 Jahren vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht mit Beweisen dafür konfrontiert werden, daß hilflose Zivilpersonen in bewaffneten Konfliktsituationen eingeschüchtert, brutalisiert, gefoltert und getötet werden. Gleichgültig, ob es um Verstümmelungen in Sierra Leone, Völkermord in Ruanda, ethnische Säuberungen auf dem Balkan oder Fälle des Verschwindenlassens von Personen in Lateinamerika geht, setzen sich die Konfliktparteien gezielt über diese Übereinkünfte hinweg. Aufständische Splittergruppen, Kämpfer der Opposition und Regierungsstreitkräfte machen auch weiterhin mit alarmierender Häufigkeit unschuldige Zivilpersonen zum Ziel.
3. Die Rechte der Zivilpersonen und die Verpflichtungen der Kombattanten in Konfliktzeiten sind im humanitären Völkerrecht und im Recht auf dem Gebiet der Menschenrechte festgelegt. Doch weigern sich kriegführende Parteien in der ganzen Welt, diese Rechtsvorschriften zu achten, und greifen statt dessen auf Terror als Mittel zur Kontrolle der Bevölkerung zurück. Die Menschen, die auf diese Weise zur Zielscheibe gemacht werden, haben schreckliche Härten zu erdulden, und diejenigen, die versuchen, die jeweilige Krise zu bewältigen, sind enormen Belastungen ausgesetzt.
4. Am 12. August 1999, dem 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Genfer Abkommen, unterzeichnete ich zusammen mit anderen einen feierlichen Appell an alle Völker, Nationen und Regierungen, den Gedanken zurückzuweisen, Krieg sei unvermeidbar, und sich unermüdlich für die Beseitigung der tieferen Kriegsursachen einzusetzen; von allen an bewaffneten Konflikten Beteiligten zu verlangen, daß sie die zentralen humanitären Grundsätze und Regeln des Völkerrechts achten; Zivilpersonen die Qual des Krieges zu ersparen und zwischen Einzelpersonen, Völkern und Nationen Beziehungen auf der Grundlage der Achtung vor der Menschenwürde, des Mitgefühls und der Solidarität zu fördern.
5. Dieser Bericht enthält klare Empfehlungen dazu, was zum Schutz von Zivilpersonen getan werden muß, namentlich auch, welche Maßnahmen der Sicherheitsrat in seinem Zuständigkeitsbereich ergreifen kann. Mit diesem Bericht soll der Rat ermutigt werden, entschlossene Maßnahmen zur Lösung dieses kritischen Problems zu ergreifen und ein "Klima des völkerrechtskonformen Verhaltens" zu fördern. Die Art und Weise, wie der Rat dieser Herausforderung begegnet, wird von entscheidender Bedeutung sein.
II. Drohungen und Gewalt gegen Zivilpersonen in Bewaffneten Konflikten
6. Das humanitäre Völkerrecht setzt die Normen für die Behandlung von Zivilpersonen und anderen unter Schutz stehenden Personen fest, die die Parteien eines bewaffneten Konflikts einzuhalten haben. Praktisch alle Mitgliedstaaten haben die Genfer Abkommen von 1949 ratifiziert, und die Mehrzahl hat die Zusatzprotokolle von 1977 unterzeichnet oder ratifiziert. Das internationale Recht auf dem Gebiet der Menschenrechte enthält darüber hinaus Rechtsnormen, die in Zeiten eines öffentlichen Ausnahmezustandes weder außer Kraft gesetzt noch zeitweilig aufgehoben werden können.
7. Daß die Parteien bewaffneter Konflikte diese Normen einerseits nicht einhalten und es andererseits keine wirksamen Durchsetzungsmechanismen gibt, hat jedoch eine Situation entstehen lassen, in der Zivilpersonen unverhältnismäßig schwer leiden müssen und die zu verhüten die internationale Gemeinschaft nicht in der Lage zu sein scheint.
A. Angriffe auf Zivilpersonen
8. In vielen bewaffneten Konflikten unserer Zeit sind Opfer unter der Zivilbevölkerung und die Zerstörung der zivilen Infrastruktur nicht einfach Nebenerscheinungen des Krieges, sondern resultieren daraus, daß Nichtkombattanten vorsätzlich zum Ziel gemacht werden. Die Gewalt wird häufig von nichtstaatlichen Akteuren verübt, insbesondere von irregulären Streitkräften und prIVat finanzierten Milizen. In vielen Konflikten gehen die kriegführenden Parteien gezielt gegen Zivilpersonen vor, um Teile der Bevölkerung zu vertreiben oder auszurotten oder um die militärische Kapitulation zu beschleunigen.
9. Ein Merkmal interner Konflikte heute ist die vielfach fließende Trennlinie zwischen Zivilpersonen und Kombattanten. Kombattanten leben vielfach in Dörfern oder suchen dort Zuflucht und benutzen mitunter unschuldige Zivilpersonen, sogar Kinder, als menschliche Schutzschilde. In einigen Fällen leisten Gemeinschaften – entweder freiwillig oder unter Zwang – bewaffneten Gruppen logistische Unterstützung und werden infolgedessen zur Zielscheibe für Angriffe.
10. In einigen Fällen sind Zivilpersonen systematisch gefoltert und getötet worden. Während des Völkermords 1994 in Ruanda wurden ganze Familien in ihren Wohnstätten hingerichtet und ganze Dörfer im Rahmen einer orchestrierten Kampagne der Massenvernichtung, die über 500.000 Todesopfer forderte, brutalisiert. In Sierra Leone wurden seit 1997 über 5.000 Zivilpersonen verstümmelt. In Burundi fanden über eine viertel Million Menschen den Tod, und Hunderttausende wurden mehrfach vertrieben.
B. Gewaltsame Vertreibung
11. Es gibt heute über 30 Millionen Vertriebene, die Hälfte davon Kinder. Häufig systematischen Grausamkeiten ausgesetzt und ohne ausreichenden persönlichen Schutz, sehen sie sich gezwungen, zu fliehen und ihr Eigentum, ihre Wohnstätten und ihre Familienmitglieder zurückzulassen. Seit dieser Bericht in Auftrag gegeben wurde, sind große Teile der Bevölkerung des Kosovo in der Bundesrepublik Jugoslawien sowie Hunderttausende vom Wiederaufflammen des Bürgerkriegs betroffene Angolaner vertrieben worden, um nur zwei Beispielfälle zu nennen.
12. Gewaltsame Vertreibungen finden sowohl über die staatlichen Grenzen hinweg als auch innerhalb dieser Grenzen statt. Menschen, die gezwungen sind, das Land zu verlassen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren ständigen Wohnsitz haben, sollten eigentlich den Schutz des internationalen Flüchtlingsrechts genießen, doch auf viele trifft dies nicht zu. Binnenvertriebene fallen im Prinzip unter das Recht ihres eigenen Landes sowie unter das humanitäre Völkerrecht für Opfer nichtstaatlicher Konflikte und das Völkerrecht auf dem Gebiet der Menschenrechte. Die in den Menschenrechten und im humanitären Völkerrecht verankerten Garantien werden jedoch vom Herkunftsland oder von der Regierung des Aufnahmestaates häufig mißachtet. Nichtstaatliche Akteure sind häufig nicht geneigt oder in der Lage, den Schutzbedürfnissen von Vertriebenen und Flüchtlingen gerecht zu werden. Dies hat in vielen Fällen zur Behinderung der Flüchtlinge in ihrer Bewegungsfreiheit und zu ihrer Zurückweisung geführt. In anderen Fällen waren staatliche Behörden nicht bereit, die Existenz von Binnenvertriebenen einzuräumen, und haben internationale Bemühungen, ihnen Beistand zu leisten und sie zu schützen, behindert.
13. In vielen internen bewaffneten Konflikten, die in letzter Zeit stattgefunden haben oder noch andauern, haben Kombattanten die Ortsbevölkerung darüber hinaus vorsätzlich eingeschüchtert, angegriffen und vertrieben, um ihr eigenes Streben nach wirtschaftlicher Kontrolle über die natürlichen Ressourcen voranzubringen. In solchen Fällen machen sich die Kombattanten die Vertreibung von Zivilpersonen zum Werkzeug und ziehen sogar Nutzen daraus.
C. Anwesenheit von Kombattanten und bewaffnete Elemente unter den Zivilpersonen in Lagern für Flüchtlinge und Binnenvertriebene
14. Obschon sie vorübergehende Zuflucht verheißen, bieten Lager nicht immer Gewähr für den Schutz von Zivilpersonen. Wenn der rein zivile und humanitäre Charakter der Lager nicht gewahrt bleibt, bedeutet dies, daß sich Zivilpersonen unter Umständen in unmittelbarer Nachbarschaft mit Kombattanten und anderen bewaffneten Elementen wiederfinden. Unter solchen Verhältnissen kann es dazu kommen, daß Hilfsgüter an Mitglieder der kriegführenden Parteien umgeleitet werden, die keinen Anspruch auf völkerrechtlichen Schutz oder internationale Hilfe haben. Darüber hinaus kontrollieren die kriegführenden Parteien häufig die Flüchtlingsbewegungen und verhindern so die Rückkehr der Flüchtlinge oder andere tragfähige Lösungen.
15. Die Präsenz von Kombattanten in Binnenvertriebenen- und Flüchtlingslagern kann die Lage in einer ganzen Region destabilisieren. Das deutlichste Beispiel dafür war die Infiltration der Flüchtlingslager in Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) und Ruanda nach dem Ende des Bürgerkriegs 1994 durch die Interahamwe- und Impuzamugambi-Milizen und Überbleibsel der ehemaligen ruandischen Armee. Solche Elemente gefährden auch die Sicherheit und den Schutz von Zivilpersonen, insbesondere von Kindern, die zwangsrekrutiert werden können. Lager in Staaten, die den Heimatländern der Flüchtlinge benachbart sind, liegen oft zu dicht an der Grenze, werden militarisiert und infolgedessen anfällig für grenzüberschreitende Angriffe, militärische Übergriffe und Infiltration.
D. Probleme, denen spezifisch Kinder ausgesetzt sind
16. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen schätzt, daß im Laufe des letzten Jahrzehnts zwei Millionen Kinder als unmittelbare Folge bewaffneter Konflikte getötet wurden. Dreimal so viele wurden schwer verwundet oder für den Rest ihres Lebens zu Behinderten gemacht. Noch sehr viel mehr Kinder sterben an Mangelernährung und Krankheiten, und über 300.000 Kinder unter 18 Jahren werden als Soldaten in Regierungsstreitkräften oder bewaffneten Oppositionsgruppen in noch andauernden Konflikten rücksichtslos ausgebeutet. Unausweichlich werden dabei viele der in das Militär eingezogenen Kinder ihrer Grundrechte beraubt, namentlich des Rechts auf den Familienverband und des Rechts auf Bildung. Zahllose Kinder tragen aufgrund ihrer Erfahrungen und der Ereignisse, deren Zeuge sie werden, schwere emotionale Wunden davon.
17. Der Machel-Bericht über die Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf Kinder (A/51/306 und Add.1) lenkte die Aufmerksamkeit auf Aspekte des Schutzes von Kindern in bewaffneten Konflikten, die neue grundsatzpolitische, programmatische und operatIVe Antworten erfordern. Besondere Aufmerksamkeit wird in dem Bericht auf die groben Verletzungen der Rechte der Kinder gelenkt, zu denen es kommt, wenn sie als Soldaten gezwungen werden, sich an Verstümmelungskampagnen, Vergewaltigungen, geschlechtsspezifischer Gewalt und sexuellem Mißbrauch zu beteiligen.
E. Probleme, denen spezifisch Frauen ausgesetzt sind
18. Komplexe Notstandssituationen wirken sich auf Frauen und Männer unterschiedlich aus. Während Männer die größte Zahl der Kombattanten stellen, machen Frauen und Kinder einen unverhältnismäßig hohen Anteil der vom Konflikt betroffenen Zivilpersonen aus. Dies verursacht im allgemeinen einen dramatischen Anstieg der Zahl der Kinder und Frauen in der Rolle des Haushaltsvorstands, was dazu führt, daß sich ihre bisherige Rolle abrupt ändert und sie plötzlich viel umfangreichere Aufgaben wahrzunehmen haben. Der Zusammenbruch des sozialen Gefüges und die Auflösung des Familienverbands in Zeiten eines bewaffneten Konflikts macht Frauen und Kinder oft in besonderem Maße anfällig für geschlechtsspezifische Gewalt und sexuelle Ausbeutung, einschließlich Vergewaltigung und Zwangsprostitution. Frauen stellen darüber hinaus die Mehrzahl der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen, was bedeutet, daß die oben dargestellten Belastungen der Vertreibung in unverhältnismäßigem Ausmaß von ihnen getragen werden. Indessen waren es vornehmlich Männer, die in einer Reihe von Kriegen der jüngsten Zeit Opfer von summarischen Hinrichtungen wurden.
F. Vorenthaltung humanitärer Hilfe und Verweigerung des Zugangs für humanitäres Hilfspersonal
19. Kombattanten machen Zivilpersonen in Konflikten unter anderem dadurch zum Ziel, daß sie versuchen, ihren Zugang zu Nahrungsmitteln und/oder anderen Formen der lebenserhaltenden Hilfe zu beschränken oder sie sogar vorsätzlich auszuhungern. 1992 in Somalia beispielsweise behinderten die Konfliktparteien vorsätzlich die Auslieferung unverzichtbarer Nahrungsmittel und medizinischer Hilfsgüter, und im Laufe der Belagerung der Enklaven in Bosnien und Herzegowina wurden Zivilpersonen die für ihr Überleben wichtigen Hilfsgüter systematisch vorenthalten.
20. Allein in diesem Jahr hat der beschränkte Zugang der humanitären Organisationen zu den Notleidenden Hunderttausende von Menschen in Angola, Kosovo (Bundesrepublik Jugoslawien) und Sierra Leone in Gefahr gebracht. Solange es keinerlei internationale Präsenz gibt, sind die von den Konflikten in diesen Gebieten betroffenen Zivilpersonen den kriegführenden Parteien auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und auf sie angewiesen, was die von ihnen benötigten Versorgungsgüter angeht.
G. Gezielte Angriffe auf Mitarbeiter humanitärer Organisationen und Friedenssicherungs-personal
21. Die Mitarbeiter humanitärer Organisationen und das Friedenssicherungspersonal werden in zunehmendem Maße zur Zielscheibe organisierter Gewalt. Das Schutzzeichen des Internationalen Roten Kreuzes sowie des Roten Halbmonds und auch die Flagge der Vereinten Nationen, die die Unparteilichkeit des Hilfspersonals symbolisieren, bieten heute anscheinend weniger Schutz denn je. Drohungen gegen Hilfs- und Friedenssicherungspersonal sorgen dafür, daß die humanitären Organisationen immer weniger in der Lage sind, die Auslieferung von Hilfsgütern an schutzbedürftigte Bevölkerungsgruppen sicherzustellen.
22. In den letzten Jahren sind Mitarbeiter der Vereinten Nationen und sonstiges humanitäres Personal in Äthiopien, Afghanistan, Angola, Bosnien und Herzegowina, Burundi, El Salvador, Georgien, Haiti, Irak, Ruanda, der Russischen Föderation (Tschetschenien), Sierra Leone, Somalia, Sudan, Tadschikistan und Uganda ums Leben gekommen, während andere in Bosnien und Herzegowina, Georgien, Guatemala, Liberia, Peru, der Russischen Föderation (Tschetschenien), Somalia, Sudan und Tadschikistan entführt wurden. Die Tötung, Verletzung und Schikanierung von humanitärem Hilfspersonal ist inzwischen fast zum alltäglichen Ereignis geworden.
H. Allgemeine Verfügbarkeit von Kleinwaffen und fortgesetzter Einsatz von Antipersonenminen
23. Der weitverbreitete Einsatz von Kleinwaffen, leichten Waffen und Antipersonenminen hat erheblichen Einfluß auf den Umfang und den Grad der Gewalt, der die Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten ausgesetzt ist. Der Umstand, daß der Handel mit Kleinwaffen keinen wirksamen Kontrollen unterliegt und daß diese Waffen nicht viel kosten, lassen sie in den Konflikten unserer Zeit zu populären Waffen werden. Leicht und einfach handhabbar, haben diese Waffen es sehr viel einfacher gemacht, Kinder in Soldaten zu verwandeln. Sie sind für unausgebildete Kombattanten ohne weiteres verfügbar, was außerdem die mit der Auslieferung humanitärer Hilfsgüter in den betroffenen Gebieten verbundenen Risiken beträchtlich erhöht hat.
24. Millionen nicht zur Wirkung gelangter, billiger Antipersonenminen und sonstiger Kampfmittel sind die tödliche Hinterlassenschaft von über zwei Dutzend Kriegen. Jedes Jahr werden durch sie Tausende von Zivilpersonen getötet und verstümmelt. Landminen verhindern außerdem die Nutzung von Grund und Boden für landwirtschaftliche Zwecke, behindern die Auslieferung von humanitären Hilfsgütern und Entwicklungshilfe und stören und verzögern die Wiederansiedlung und Wiedereingliederung heimkehrender Binnenvertriebener und Flüchtlinge.
I. Humanitäre Auswirkungen von Sanktionen
25. Die Erfahrungen der jüngsten Zeit haben gezeigt, daß sich Sanktionen auf die Zivilbevölkerung, insbesondere auf Kinder und Frauen, außerordentlich negatIV auswirken können. Die vom Sicherheitsrat zur Aufsicht über die Anwendung der Sanktionsregime eingesetzten Sanktionsausschüsse haben in letzter Zeit Maßnahmen im Hinblick auf die Straffung und Beschleunigung ihrer Verfahren zur Bearbeitung humanitärer Ausnahmeregelungen ergriffen. Dennoch geben die Nebenwirkungen der Sanktionen vielfach weiterhin Anlaß zur Sorge.
26. Gegenstand besonderer Besorgnis sind regionale Sanktionen und Embargos. Oft von Nachbarländern ohne klare Leitlinien zur Minimierung ihrer humanitären Auswirkungen verhängt, haben regionale Sanktionen in den letzten Jahren die Auslieferung humanitärer Notstandshilfe erschwert, insbesondere in Sierra Leone und Burundi. Der effizienten Bearbeitung humanitärer Ausnahmeregelungen durch die regionalen Sanktionsbehörden stellen sich Hindernisse entgegen, die es humanitären Einsätzen der Vereinten Nationen mehrfach unmöglich gemacht haben, dringend benötigte Hilfsgüter auszuliefern.
III. Wahrung von Frieden und Sicherheit – Die Rolle des Sicherheitsrats
beim Schutz von Zivilpersonen in Situationen eines bewaffneten Konflikts
27. In der Erklärung seines Präsidenten vom 12. Februar 1999 (S/PRST/1999/6) stellte der Sicherheitsrat fest, daß menschliches Leid großen Ausmaßes eine Folge von Instabilität sei und zuweilen selbst zu Instabilität und weiteren Konflikten beitrage. In Anbetracht seiner Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit bekräftigte der Rat, daß die internationale Gemeinschaft der von bewaffneten Konflikten betroffenen Zivilbevölkerung beistehen und sie schützen müsse. Der Rat bekundete außerdem seine Bereitschaft, im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen auf Situationen zu reagieren, in denen Zivilpersonen als solche vorsätzlich zum Ziel gemacht werden oder die Gewährung humanitärer Hilfe an Zivilpersonen vorsätzlich behindert wird.
28. In der genannten Erklärung wird der unmittelbare Zusammenhang zwischen systematischen und breitangelegten Verstößen gegen die Rechte von Zivilpersonen und Störungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit bekräftigt.
29. Heute wird allgemein anerkannt, daß die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit in allen Stadien eines Konflikts oder eines möglichen Konflikts Maßnahmen des Sicherheitsrats erfordert. Wann immer möglich, müssen Maßnahmen ergriffen werden, die an den eigentlichen Konfliktursachen ansetzen und dafür sorgen, daß Streitigkeiten nicht in Gewalt ausarten. Können diese vorbeugenden Ansätze, gleichviel aus welchen Gründen, nicht wirksam zum Tragen gebracht werden oder schlagen sie fehl, muß die Politik vor allen Dingen darauf gerichtet sein, die Folgen der Gewalt für die Zivilbevölkerung auf ein Minimum zu beschränken und den Feindseligkeiten ein Ende zu setzen. Nach dem Ende eines Krieges müssen alle Anstrengungen der Friedenssicherung und Friedenskonsolidierung gelten, so auch der Aussöhnung zwischen durch den Konflikt gespaltenen Gruppen, und der Strafverfolgung derjenigen, die gegen das humanitäre Völkerrecht und das Recht auf dem Gebiet der Menschenrechte verstoßen haben.
30. Der Sicherheitsrat hat seit 1991 eine Reihe von Resolutionen verabschiedet, in denen er seine "Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit" nach Artikel 24 der Charta bekräftigt. Der Rat erkennt außerdem an, daß massIVe und systematische Verstöße gegen das Recht auf dem Gebiet der Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellen und daher seine Aufmerksamkeit und entsprechende Maßnahmen verlangen.
31. In seiner Resolution 688 (1991) vom 5. April 1991 zu Irak erkannte der Sicherheitsrat an, daß die Unterdrückung der Zivilbevölkerung Folgen habe, die den Weltfrieden und die internationale Sicherheit in der Region bedrohten. In Resolution 941 (1994) vom 23. September 1994 zu Bosnien und Herzegowina anerkannte der Rat, daß die ethnische Säuberung einen eindeutigen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht darstelle und die Friedensbemühungen bedrohe. In Resolution 955 (1994) vom 8. November 1994 zu Ruanda stellte der Rat fest, daß Völkermord und andere systematische, weitverbreitete und flagrante Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellten. In Resolution 1203 (1998) vom 24. Oktober 1998 über den Kosovo (Bundesrepublik Jugoslawien) erklärte der Sicherheitsrat, daß die Situation innerhalb der Landesgrenzen auch weiterhin eine Bedrohung des Friedens und der Sicherheit in der Region darstelle. Zuletzt schließlich bekräftigte der Sicherheitsrat in seiner Resolution 1244 (1999) vom 10. Juni 1999 über den Kosovo (Bundesrepublik Jugoslawien) die Achtung vor der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit des Gebiets, beauftragte jedoch gleichzeitig eine Mission der Vereinten Nationen mit der Wiederherstellung und Wahrung der Sicherheit in dem Gebiet der Provinz.
32. Die zunehmende Sorge des Sicherheitsrats über das schwere Schicksal von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten wird verstärkt durch die häufigen Unterrichtungen über die humanitäre Lage in von Konflikten betroffenen Ländern, die er erhält, und findet weiteren Ausdruck in der Schaffung der internationalen Ad-hoc-Strafgerichte für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda durch den Rat.
33. Vorbeugung, Friedensschaffung, Friedenssicherung und Friedenskonsolidierung stehen in einem synergetischen Verhältnis zueinander und müssen mitunter gleichzeitig stattfinden, wenn der Sicherheitsrat einen umfassenden und koordinierten Ansatz zum Schutz von Zivilpersonen in Zeiten des bewaffneten Konflikts verfolgen soll. In der Erklärung seines Präsidenten vom 12. Februar 1999 forderte der Rat ein umfassendes und koordiniertes Vorgehen seitens der Mitgliedstaaten und der internationalen Organisationen und Organe mit dem Ziel, dem Problem des Schutzes von Zivilpersonen in bewaffneten Konfliktsituationen gerecht zu werden. Genau in diesem Zusammenhang war es auch, daß der Rat um diesen Bericht ersuchte, der konkrete Empfehlungen dazu enthalten sollte, wie er im Rahmen seines Zuständigkeitsbereichs tätig werden kann, um den persönlichen und rechtlichen Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konfliktsituationen zu verbessern.
34. Im folgenden Abschnitt unterbreite ich dem Rat eine Reihe konkreter Empfehlungen zur Behandlung. Diese Empfehlungen sind aus umfassenden Konsultationen hervorgegangen, die auf Ersuchen des Rates unter anderem auch mit dem Ständigen interinstitutionellen Ausschuß geführt wurden. Sie erstrecken sich auf Maßnahmen in allen Konfliktphasen und beinhalten breitgefächerte AktIVitäten zum rechtlichen und persönlichen Schutz von Zivilpersonen. Diese reichen von Maßnahmen zur Förderung völkerrechtskonformen Verhaltens über politische und diplomatische InitiatIVen zur Beeinflussung des Verhaltens der Konfliktparteien bis hin zu Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der Charta.
IV. Empfehlungen für Massnahmen zur Verbesserung des rechtlichen Schutzes
35. Der Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten wäre weitgehend sichergestellt, wenn die Kombattanten die Bestimmungen des humanitären Völkerrechts und des Rechts auf dem Gebiet der Menschenrechte achten würden. Mit den Empfehlungen in diesem Abschnitt soll daher aufgezeigt werden, wie der Sicherheitsrat die volle Achtung vor dem humanitären Völkerrecht, dem Recht auf dem Gebiet der Menschenrechte und dem Flüchtlingsrecht seitens der Staaten und der nichtstaatlichen Akteure sowie insbesondere seitens der Konfliktparteien fördern kann. Die Empfehlungen enthalten außerdem Vorschläge zu Maßnahmen, mit deren Hilfe der Rat sicherstellen kann, daß Verstöße gegen diese Rechtsinstrumente durch geeignete gerichtliche Verfahren geahndet werden.
A. Ratifikation und Anwendung internationaler Rechtsakte
36. Internationale Rechtsakte sind unverzichtbare Werkzeuge für den rechtlichen Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten; ihnen sollte bei den Bemühungen des Rates hoher Stellenwert eingeräumt werden. Zunächst sollte im Rahmen dieser Bemühungen auf die Mitgliedstaaten eingewirkt werden, die wichtigsten Rechtsakte zu ratifizieren, Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Anwendung in der Praxis sicherzustellen und bei den Streitkräften und der Polizei der einzelnen Staaten sowie in allen Teilen der Gesellschaft das Bewußtsein für diese grundlegenden internationalen Normen zu schärfen und deren Akzeptanz zu fördern. Zur Förderung eines "Klimas des völkerrechtskonformen Verhaltens " sollten sich die Mitgliedstaaten die technischen Dienste der Organe der Vereinten Nationen und anderer in Betracht kommender Organisationen, einschließlich des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, zunutze machen, um die Aufnahme dieser internationalen Rechtsakte in das einzelstaatliche Recht zu unterstützen, starke staatliche Institutionen aufzubauen, deren Aufgabe die Verbreitung, Überwachung und Durchsetzung dieser Rechtsakte ist, und für die Streitkräfte und die Polizei systematische Ausbildungsprogramme im humanitären Völkerrecht, im Recht auf dem Gebiet der Menschenrechte und im Flüchtlingsrecht, einschließlich der Rechte des Kindes und geschlechtsspezifischer Rechtsvorschriften, aufzubauen. In diesem Zusammenhang könnte es nützlich sein, wenn die Mitgliedstaaten Informationen über beste Verfahrensweisen im Hinblick auf die Anwendung der wichtigsten Rechtsakte des humanitären Völkerrechts, des Rechts auf dem Gebiet der Menschenrechte und des Flüchtlingsrechts austauschen würden.
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
1. den Mitgliedstaaten eindringlich nahezulegen, die wichtigsten Rechtsakte des humanitären Völkerrechts, des Rechts auf dem Gebiet der Menschenrechte und des Flüchtlingsrechts zu ratifizieren, Vorbehalte zurückzunehmen und auf den Gebieten der Gesetzgebung, Justiz und Verwaltung alle geeigneten Maßnahmen zur Umsetzung dieser Rechtsakte zu ergreifen, so auch, indem sie sie bei allen Teilen der Gesellschaft verbreiten, und dem Rat über die diesbezüglichen Maßnahmen Bericht zu erstatten;
2. die Mitgliedstaaten und soweit erforderlich die nichtstaatlichen Akteure aufzufordern, das humanitäre Völkerrecht, das Recht auf dem Gebiet der Menschenrechte und das Flüchtlingsrecht und insbesondere die in Artikel 4 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte aufgeführten Rechte einzuhalten, die nicht außer Kraft gesetzt werden können.
B. Verantwortung für Kriegsverbrechen
37. Weitverbreitete und systematische Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und das Recht auf dem Gebiet der Menschenrechte werden von den innerstaatlichen Behörden nur allzu häufig nicht geahndet. Die Schaffung der Ad-hoc-Gerichte für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda durch den Sicherheitsrat war ein wichtiger Schritt, um diesem Versäumnis abzuhelfen und die Kultur der Straflosigkeit zu bekämpfen. Die Verabschiedung des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs im Jahr 1998 gestattet die Errichtung eines globalen Strafverfolgungsmechanismus zur Bekämpfung der Straflosigkeit, der möglicherweise auch von künftigen Verstößen abschrecken kann. Die Festnahme und Verfolgung von Personen, gegen die Anklage erhoben wurde, weil sie der Begehung von Kriegsverbrechen verdächtigt sind, ist unverzichtbarer Bestandteil der Durchsetzung des Völkerrechts und der Gerechtigkeit.
38. In diesem Zusammenhang erinnere ich außerdem an die Empfehlung, die ich dem Sicherheitsrat in meinem Bericht über Konfliktursachen und die Förderung dauerhaften Friedens und einer nachhaltigen Entwicklung in Afrika (A/52/871) vorgelegt habe, wonach Kombattanten, die vorsätzlich Angriffe gegen Zivilpersonen richten, nach dem Völkerrecht ihren Opfern gegenüber finanziell haftbar gemacht werden, und völkerrechtliche Vorkehrungen getroffen werden sollten, mit deren Hilfe es leichter möglich ist, das Vermögen der Rechtsbrecher und ihrer Anführer aufzuspüren, zu beschlagnahmen und einzuziehen.
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
3. bei Nichtfolgeleistung die Anwendung von Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen in Erwägung zu ziehen, um die Befolgung der Anordnungen und Ersuchen der beiden bestehenden Ad-hoc-Gerichte für das ehemalige Jugoslawien beziehungsweise für Ruanda betreffend die Festnahme und Überstellung der Angeklagten zu bewirken;
4. den Mitgliedstaaten eindringlich nahezulegen, das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs als konkrete Maßnahme zur Durchsetzung der Achtung vor dem humanitären Völkerrecht und dem Recht auf dem Gebiet der Menschenrechte zu ratifizieren;
5. bis zur Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs die Schaffung von Gerichts- und Untersuchungsmechanismen mit nationalen und internationalen Anteilen zu fördern, die eingesetzt werden können, wenn es angesichts des mangelnden Willens oder der Unfähigkeit der Beteiligten unwahrscheinlich scheint, daß die für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen Verantwortlichen durch nationale oder internationale Gerichte strafrechtlich verfolgt werden;
6. den Mitgliedstaaten eindringlich nahezulegen, einzelstaatliche Rechtsvorschriften zur Strafverfolgung von Personen zu erlassen, die für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verantwortlich sind. Die Mitgliedstaaten sollten nach dem Weltrechtsprinzip Strafverfahren gegen ihrer Gewalt unterstehende beziehungsweise auf ihrem Hoheitsgebiet befindliche Personen wegen schwerer Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht einleiten und dem Sicherheitsrat darüber Bericht erstatten.
C. Lücken im geltenden Völkerrecht
1. Binnenvertreibung
39. Aufgrund eines Ersuchens der Menschenrechtskommission ernannte der damalige Generalsekretär 1992 einen Beauftragten für Binnenvertriebene mit dem Auftrag, sich mit dem Schutz von Binnenvertriebenen zu befassen. Da es keinen völkerrechtlichen Rahmen gibt, der die Rechte und Freiheiten von Binnenvertriebenen im einzelnen festlegt, stellte der Beauftragte die Leitsätze betreffend die Binnenvertreibung zusammen, die auf den bestehenden Rechtsakten des humanitären Völkerrechts und des Rechts auf dem Gebiet der Menschenrechte beruhen und der Menschenrechtskommission 1998 vorgelegt wurden. (E/CN.4/1998/53/Add.2, Anhang).
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
7. in Fällen massIVer Binnenvertreibungen den Staaten nahezulegen, sich an den Rechtsrichtlinien in den Leitsätzen betreffend die Binnenvertreibung zu orientieren.
2. Mindestalter für die Einziehung in die Streitkräfte und andere bewaffnete Gruppen
40. Das international akzeptierte Mindestalter für die Einziehung und Teilnahme an Feindseligkeiten liegt zur Zeit bei 15 Jahren. Das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (1998) bezeichnet die Zwangsverpflichtung oder Einziehung sowie den Einsatz von Kindern unter 15 Jahren als Kriegsverbrechen. Das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit (1999) verbietet die zwangsweise beziehungsweise im Rahmen der Wehrpflicht erfolgende Einziehung von Kindern unter 18 Jahren zum Einsatz in bewaffneten Konflikten, erlaubt jedoch die freiwillige Verpflichtung sowie die Einziehung zu Nichtkampfzwecken. Die Afrikanische Charta für die Rechte und das Wohl der Kinder (1990) verbietet die Einziehung beziehungsweise den Einsatz von Kindern unter 18 Jahren. Keines dieser drei Übereinkommen ist zur Zeit in Kraft, und die Bemühungen der Menschenrechtskommission, ein FakultatIVprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes einzubringen und anzunehmen, mit dem das Mindestalter für die Einziehung und Teilnahme an Feindseligkeiten auf 18 erhöht werden soll, harren noch des Erfolgs.
41. Obwohl die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften der meisten Mitgliedstaaten das Wehrpflichtalter auf 18 festlegen, wird dies in Zeiten eines bewaffneten Konflikts leider nur selten beachtet. Eine zusätzliche Komplikation ergibt sich aus der Tatsache, daß die meisten an bewaffneten Konflikten beteiligten Kindersoldaten nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen angehören, bei denen der Befehlsweg und die Verantwortungsverteilung häufig unklar sind.
42. Im Oktober 1998 machte ich bekannt, daß Friedenssoldaten, die die Mitgliedstaaten den Vereinten Nationen zur Verfügung stellen, ein Mindestalter erreicht haben müssen, und bat die truppenstellenden Regierungen, im Rahmen ihrer einzelstaatlichen Kontingente vorzugsweise Soldaten von mindestens 21 Jahren, in jedem Fall jedoch von nicht weniger als 18 Jahren zu entsenden. Darüber hinaus wurden die Mitgliedstaaten ersucht, keine Zivilpolizisten und Militärbeobachter für Friedenssicherungseinsätze zu entsenden, die nicht mindestens 25 Jahre alt sind. Dieser Beschluß wurde gefaßt, um sicherzustellen, daß der Einsatz von uniformiertem Personal durch die Vereinten Nationen für die Polizei und die Streitkräfte weltweit vorbildlich ist.
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
8. den Mitgliedstaaten eindringlich nahezulegen, den Vorschlag, das Mindestalter für die Einziehung zu den Streitkräften und die Teilnahme an Feindseligkeiten auf 18 Jahre anzuheben, und die Erarbeitung des Entwurfs eines FakultatIVprotokolls über die Lage von Kindern in bewaffneten Konflikten zu dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes zu beschleunigen, damit die Generalversammlung ihn behandeln kann;
9. zu verlangen, daß an Konflikten beteiligte nichtstaatliche Akteure Kinder unter 18 Jahren nicht in Feindseligkeiten zum Einsatz bringen oder Gefahr laufen, daß ihnen im Falle der Nichteinhaltung gezielte Sanktionen auferlegt werden.
3. Sicherheit des humanitären Hilfspersonals
43. Das Übereinkommen über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal aus dem Jahr 1994, das am 15. Januar 1999 in Kraft trat, erstreckt sich auf Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetes Personal, das im Rahmen von vom Sicherheitsrat oder der Generalversammlung ausdrücklich genehmigten Einsätzen tätig ist. Meines Erachtens besteht heute in zunehmendem Maße ein Konsens dahin gehend, daß der Geltungsbereich des Übereinkommens von 1994 erweitert werden sollte, damit auch andere Kategorien von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal, einschließlich Ortskräfte, auf die sich das Übereinkommen zur Zeit nicht erstreckt, erfaßt werden. Die Staaten sollten auch den Erlaß entsprechender einzelstaatlicher Rechtsvorschriften in dieser Frage in Erwägung ziehen.
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
10. den Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, eindringlich nahezulegen, das Übereinkommen von 1994 über die Sicherheit von Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetem Personal zu ratifizieren, und den Staaten, die es bereits ratifiziert haben, nahezulegen, es in vollem Umfang anzuwenden.
11. die Generalversammlung zu bitten, dringend weiter auf ein Protokoll zu dem Übereinkommen von 1994 hinzuarbeiten, das den rechtlichen Schutz auf das gesamte Personal der Vereinten Nationen und beigeordnetes Personal ausdehnt.
44. Zusätzlich zu rechtlichen Maßnahmen kann der Sicherheitsrat den Schutz von Zivilpersonen in Konflikten auch durch politische und diplomatische Maßnahmen sowie durch Friedenssicherungs- oder Zwangsmaßnahmen nach den Kapiteln VI, VII oder VIII der Charta fördern. Mit den in diesem Kapitel aufgeführten Empfehlungen soll daher aufgezeigt werden, wie der Rat den persönlichen Schutz von Zivilpersonen durch breitgefächerte, in verschiedenen Konfliktphasen einsetzende Maßnahmen verbessern kann.
A. Konfliktverhütung
45. Nach Artikel 1.1 der Charta besteht das Hauptziel der Vereinten Nationen darin, den Frieden und die Sicherheit durch die Verhütung und Beseitigung von Bedrohungen des Friedens zu wahren. Der Sicherheitsrat als dasjenige Organ, das die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit trägt, muß sich unbedingt verstärkt mit der Konfliktverhütung befassen und die auf diesem Gebiet unternommenen Bemühungen wirksam lenken und nachdrücklich unterstützen. In diesem Zusammenhang habe ich in meinem Bericht vom Juli 1997 über die Reform der Vereinten Nationen unterstrichen, daß mehr Gewicht auf eine rechtzeitige und angemessene Prävention gelegt werden sollte. Die Vereinten Nationen müssen im 21. Jahrhundert in zunehmendem Maße zu einer Schaltstelle für solche vorbeugende Maßnahmen werden.
46. Die Ursachen von Konflikten sind komplex und müssen auf umfassende Weise angegangen werden. Dennoch gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die der Rat im Rahmen seines Zuständigkeitsbereichs ergreifen könnte, um mögliche Konfliktsituationen viel früher zu erkennen, als derzeit der Fall ist, und den Ausbruch von Feindseligkeiten zu verhindern. Beispielsweise spielen Frühwarnmechanismen nach weitverbreiteter Auffassung eine wichtige Rolle bei der Konfliktverhütung. Bei einer rechtzeitigen, angemessenen Reaktion auf Frühwarnungen verbessern sich die Chancen, den Ausbruch bewaffneter Konflikte zu verhüten.
47. Die PräventIVeinsatztruppe der Vereinten Nationen in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien ist ein gutes Beispiel für ein frühes und wirksames Eingreifen zur Konfliktverhütung. Der Rat sollte derartige Einsätze in anderen Situationen erwägen. Vorbeugende Einsätze sind insbesondere in den Fällen von Nutzen, in denen infolge der Hinterlassenschaft vergangener Konflikte die erhöhte Gefahr massenhafter Menschenrechtsverletzungen besteht. Außerdem gilt es zu bedenken, daß massenhafte Tötungen und Greueltaten, obgleich sie mit furchterregender Schnelligkeit einsetzen können, im Regelfall erst nach erheblicher Planung und vorab erfolgter Dislozierung von Milizen und anderen Kräften geschehen.
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
12. in bestimmten Fällen einen präventIVen Friedenssicherungseinsatz oder eine andere präventIVe Überwachungspräsenz zu erwägen;
13. in erhöhtem Maße auf die einschlägigen Bestimmungen der Charta zurückzugreifen, wie beispielsweise die Artikel 34 bis 36, wonach er Streitigkeiten frühzeitig untersuchen kann, die Mitgliedstaaten bitten kann, die Aufmerksamkeit des Sicherheitsrats auf Streitigkeiten zu lenken, und geeignete Verfahren für die Beilegung von Streitigkeiten empfehlen kann; sowie den Artikel 99 der Charta verstärkt zur Geltung zu bringen, indem er konkrete Antwortmaßnahmen auf die Bedrohungen des Friedens und der Sicherheit ergreift, auf die ihn das Sekretariat aufmerksam macht;
14. Arbeitsgruppen des Sicherheitsrats zu bestimmten spannungsträchtigen Situationen einzurichten, um ein besseres Verständnis der Konfliktursachen und -folgen herzustellen und ständig über ein Forum zu verfügen, in dem die für den jeweiligen Fall vorhandenen Optionen zur Verhütung eines Gewaltausbruchs erwogen werden können;
15. die Informationen und Analysen auf dem Gebiet der Menschenrechte, die von den unabhängigen Sachverständigen der Vertragsorgane und den Mechanismen der Menschenrechtskommission sowie von anderen zuverlässigen Quellen bereitgestellt werden, als Wegweiser für mögliche PräventIVmaßnahmen seitens der Vereinten Nationen zu benutzen.
B. Vertrauensbildung
1. Medien
48. Der Rolle der Massenmedien in bewaffneten Konflikten muß besondere Aufmerksamkeit gelten. Der Völkermord in Ruanda und die in Bosnien und Herzegowina begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden zum Teil durch nationalistische und ethnozentrische Hetzkampagnen in den Massenmedien ausgelöst. Die Bemühungen zur Bewältigung des Problems der Hetzmedien werden durch Rücksichten auf die nationale Souveränität und die Pressefreiheit erschwert. Doch gilt es ohne Zweifel, alles zu tun, was möglich ist, um die offene Aufstachelung zur Gewalt gegen bestimmte Gruppen zu verhindern. Ich werde daher die maßgeblichen Dienststellen am Amtssitz sowie meine Beauftragten und die residierenden Koordinatoren in den betroffenen Ländern anweisen, die Ausstrahlung objektIVer Rundfunk- und Fernsehprogramme und andere MedieninitiatIVen zu befürworten und zu unterstützen, so auch Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, Gerüchte auszuräumen, Falschinformationen entgegenzuwirken und einen ungehinderten Austausch von Informationen zu fördern. Ich habe außerdem beschlossen, eine internationale InitiatIVe in die Wege zu leiten, um geeignete Maßnahmen gegen Medien zu ermitteln, die zur Gewalt gegen Zivilpersonen aufhetzen.
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
16. in Situationen des noch andauernden Konflikts dafür zu sorgen, daß nach Bedarf geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um Hetzmedien unter Kontrolle zu bringen oder ihre Einrichtungen zu schließen;
17. dafür zu sorgen, daß die Friedensschaffungs-, Friedenssicherungs- und Friedenskonsolidierungsmissionen der Vereinten Nationen einen für die Massenmedien zuständigen Anteil enthalten, der Informationen über das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte, so auch über Friedenserziehung und den Schutz von Kindern, verbreiten und gleichzeitig objektIV über die Tätigkeit der Vereinten Nationen informieren kann, und die genehmigten regionalen Missionen zu ermutigen, ihrerseits eine solche Kapazität einzurichten.
2. Andere Mechanismen
49. In den letzten Jahren sind verschiedene Arten von vertrauenbildenden Maßnahmen in der unmittelbar auf einen Konflikt folgenden Friedenskonsolidierungsphase erprobt worden, unter anderem Maßnahmen zur Förderung von Besuchen und Begegnungen zwischen Angehörigen verschiedener Gruppen, die zuvor gegeneinander Krieg führten, Kultur- und Sportveranstaltungen, die Anpassung von Vorschriften betreffend die Ausstellung offizieller Dokumente, wie beispielsweise Reisepässe, Ausweise und Kraftfahrzeug-Nummernschilder, sowie Konferenzen und Symposien für Fachkräfte aus verschiedenen Regionen des betroffenen Landes. Einige dieser AktIVitäten können auch im Frühstadium von Feindseligkeiten, bevor sich der Konflikt verhärtet, nützlich sein oder als Mittel dienen, um einen Durchbruch bei Verhandlungen zur Konfliktbeilegung zu erzielen. Ich habe daher beschlossen, ein Feldhandbuch der guten Praxis zur Verwendung bei künftigen Friedenskonsolidierungsmissionen auszuarbeiten, das im einzelnen auf erfolgreiche vertrauenbildende Maßnahmen für derartige Missionen eingeht.
50. Im Bereich der Vertrauensbildung mag es für den Rat von Nutzen sein, mit nichtstaatlichen Organisationen und anderen Akteuren der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, die über Sachkenntnisse und wertvolle Erfahrungen in diesem Bereich verfügen.
C. Humanitärer Zugang
51. Die Staaten sind verpflichtet, zu gewährleisten, daß die betroffene Bevölkerung Zugang zu der Hilfe hat, die sie zum Überleben braucht. Kann ein Staat dieser Verpflichtung nicht nachkommen, ist die internationale Gemeinschaft gehalten, die Bereitstellung humanitärer Hilfe sicherzustellen. Die rasche Entsendung humanitärer Hilfseinsätze ist ausschlaggebend, wenn es darum geht, auf die Bedürfnisse von bewaffneten Konflikten betroffener Zivilpersonen zu reagieren. Wirksame und rechtzeitige humanitäre Maßnahmen erfordern einen ungehinderten Zugang zu den Notleidenden. Daher verhandeln die humanitären Organisationen Tag für Tag mit den Konfliktparteien, um sicheren Zugang zu notleidenden Zivilpersonen sowie Garantien im Hinblick auf die Sicherheit des humanitären Personals zu erlangen und aufrechtzuerhalten. Dazu müssen die humanitären Akteure in der Lage sein, kontinuierlich mit den maßgeblichen nichtstaatlichen Akteuren im Dialog zu stehen, ohne diesen dadurch politische Legitimität zu verschaffen.
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
18. bei Beginn eines Konflikts in seinen Resolutionen zu unterstreichen, daß die Zivilbevölkerung unbedingt uneingeschränkten Zugang zu humanitärer Hilfe haben muß und daß die betroffenen Parteien, einschließlich der nichtstaatlichen Akteure, hinsichtlich der Gewährung dieses Zugangs voll mit dem Koordinator der Vereinten Nationen für humanitäre Maßnahmen zusammenarbeiten und die Sicherheit der humanitären Organisationen im Einklang mit den Grundsätzen der Humanität, der Neutralität und der Unparteilichkeit garantieren müssen, sowie nachdrücklich zu betonen, daß bei Nichtfolgeleistung gezielte Sanktionen verhängt werden;
19. die benachbarten Mitgliedstaaten nachdrücklich aufzufordern, Zugang für humanitäre Hilfeleistung zu gewähren, und sie aufzufordern, dem Sicherheitsrat jedwede Frage, die das Recht von Zivilpersonen auf Hilfe bedrohen könnte, als eine den Frieden und die Sicherheit beeinträchtigende Angelegenheit zur Kenntnis zu bringen.
D. Sondermaßnahmen zugunsten von Kindern und Frauen
52. In seiner umfassenden Resolution vom 25. August 1999 zur Frage der Kinder in bewaffneten Konflikten hat der Sicherheitsrat unter anderem von den in letzter Zeit unternommenen Anstrengungen Kenntnis genommen, dem Einsatz von Kindern als Soldaten ein Ende zu setzen, insbesondere von dem Übereinkommen 182 der Internationalen Arbeitsorganisation, das Zwangs- oder Pflichtarbeit verbietet. Der Rat hat außerdem von dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs Kenntnis genommen, worin die Einziehung oder Anwerbung von Kindern unter fünfzehn Jahren oder ihr Einsatz zur aktIVen Teilnahme an Feindseligkeiten als Kriegsverbrechen eingestuft wird. Der Rat hat nachdrücklich das gezielte Vorgehen gegen Kinder in Situationen des bewaffneten Konflikts verurteilt, alle beteiligten Parteien aufgefordert, ihre Verpflichtungen aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes streng einzuhalten, und betont, daß alle Staaten gehalten sind, der Straflosigkeit ein Ende zu setzen. Mit seiner Anerkennung der Wichtigkeit des Schutzes von Kindern hat der Rat ein günstiges Umfeld für die Prüfung neuer konkreter Maßnahmen auf diesem Gebiet geschaffen.
53. Die besondere Schutzbedürftigkeit von Frauen in modernen bewaffneten Konflikten wurde bereits beschrieben. In allen Phasen eines Konflikts müssen Maßnahmen ergriffen werden, die dieser Schutzbedürftigkeit Rechnung tragen. Ich ersuche die in Betracht kommenden Organisationen, Überwachungs- und Berichterstattungssysteme zu schaffen, durch die auch Verletzungen der Rechte von Frauen und Kindern in Konfliktsituationen dokumentiert werden.
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
20. den Erfordernissen entsprechend sicherzustellen, daß den besonderen Schutz- und Hilfebedürfnissen von Kindern und Frauen bei allen Einsätzen zur Friedenssicherung und Friedenskonsolidierung voll und ganz Rechnung getragen wird;
21. von den Konfliktparteien systematisch zu verlangen, besondere Vorkehrungen zu treffen, die den Schutz- und Hilfebedürfnissen von Kindern und Frauen Rechnung tragen. Dazu könnten beispielsweise die Förderung von "Impftagen" oder ähnliche InitiatIVen gehören.
E. Gezielte Sanktionen
54. Die fortlaufenden Bemühungen der Mitgliedstaaten um die Ausarbeitung gezielterer Sanktionsregime sind zu begrüßen. Gezielte Sanktionen, einschließlich finanzieller Sanktionen wie beispielsweise das Einfrieren von Vermögensgegenständen im Ausland, Embargos auf den Handel mit Waffen und Luxusgütern und Reiseverbote, stellen ein potentiell nützliches Mittel zur Druckausübung auf die Eliten dar, gegen die sie gerichtet sind, und minimieren gleichzeitig die typischerweise mit umfassenden Wirtschaftssanktionen verbundenen nachteiligen humanitären Auswirkungen auf die schutzbedürftige Zivilbevölkerung. In Zusammenarbeit mit einer Reihe von Mitgliedstaaten und Organisationen der Zivilgesellschaft bin ich entschlossen, einige laufende Anstrengungen zur Erhöhung der Wirksamkeit gezielter Sanktionen weiterzuverfolgen.
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
22. verstärkten Gebrauch von gezielten Sanktionen zu machen, um diejenigen, die schwerste Verletzungen des humanitären Völkerrechts und des Rechts auf dem Gebiet der Menschenrechte begehen, sowie die Konfliktparteien, die die Resolutionen des Sicherheitsrats kontinuierlich mißachten und sich auf diese Weise über seine Autorität hinwegsetzen, abzuschrecken und in Schranken zu halten;
23. einen ständigen Mechanismus zur technischen Überprüfung der Sanktionsregime der Vereinten Nationen und der regionalen Sanktionsregime zu schaffen, der mittels Informationen, die von den Ratsmitgliedern, den zuständigen Finanzinstitutionen, dem Sekretariat, den Organisationen und sonstigen humanitären Akteuren bereitgestellt werden, feststellen kann, wie sich Sanktionen voraussichtlich auf Zivilpersonen auswirken werden;
24. auf der Grundlage von Vorschlägen, die der Präsident des Rates den Sanktionsausschüssen unterbreitet, weiter Normen und Regeln zur Minimierung der humanitären Auswirkungen von Sanktionen auszuarbeiten und insbesondere dafür zu sorgen, daß Sanktionen nicht ohne obligatorische, sofortige und durchsetzbare humanitäre Ausnahmeregelungen verhängt werden;
25. die Regionalorganisationen oder Gruppen von Ländern zu ersuchen, vollständige Informationen über die Schaffung geeigneter Mechanismen für humanitäre Ausnahmeregelungen und Genehmigungsverfahren vorzulegen, bevor er die Verhängung regionaler Sanktionen genehmigt. Es ist dem Rat anheimgestellt, außerdem zu überwachen, inwieweit die regionale Sanktionen verhängenden Behörden in der Lage sind, die Ausnahmeregelungen umzusetzen und Lieferungen humanitärer Hilfsgüter zu genehmigen, und Verfahren festzulegen, mittels deren er seine Autorität zum Tragen bringen kann, um Unzulänglichkeiten zu beseitigen.
F. Kleinwaffen und Antipersonenminen
55. Die Proliferation und der Mißbrauch von leichten Waffen und Kleinwaffen schüren Konflikte, verschlimmern das Leid der Zivilopfer und tragen zum Zusammenbruch von Gesellschaften bei. Verschiedene internationale und regionale InitiatIVen, denen ich mich vorbehaltlos anschließe, sind eingeleitet worden, um dieses schwierige Problem zu beheben. Es ist eine unerläßliche Voraussetzung für den Erfolg eines Friedenskonsolidierungsprozesses, daß die Verfügbarkeit von Waffen eingeschränkt wird. Dies erfordert einen mehrdimensionalen Ansatz, der die folgenden Aspekte umfaßt: Demobilisierung, Wiedereingliederung der Kombattanten, Rechtsvollzug, Maßnahmen zur Beendigung des unerlaubten Handels und Vorschriften für die rechtsgültige Registrierung und den gesetzlich erlaubten Gebrauch von Waffen.
56. Durch Landminen werden nach wie vor jedes Jahr Tausende von Zivilpersonen verstümmelt und getötet. Auch nicht zur Wirkung gelangte Kampfmittel, insbesondere Streubomben, töten und verstümmeln Zivilpersonen noch lange nach ihrem Einsatz. Obwohl zahlreiche Staaten das Übereinkommen von Ottawa über Landminen ratifiziert haben, stehen die Ratifikationen vieler Staaten bislang noch aus. Einige sind auf die Hilfe der Vereinten Nationen angewiesen, um ihren Vertragsverpflichtungen nachkommen zu können.
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
26. in Situationen, in denen die Konfliktparteien Zivilpersonen und geschützte Personen zur Zielscheibe machen oder nachweislich systematische und weitverbreitete Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte begehen, so auch indem sie Kindersoldaten rekrutieren, Waffenembargos zu verhängen und die Mitgliedstaaten nachdrücklich aufzufordern, die Einhaltung dieser Embargos in ihrem nationalen Herrschaftsbereich durchzusetzen;
27. die Mitgliedstaaten zu ermutigen, anderen Staaten politische und finanzielle Unterstützung und Hilfe zu gewähren, um ihnen die Einhaltung des Übereinkommens von Ottawa zu erleichtern.
G. Friedenssicherung
57. In der Vergangenheit sind durch Friedenssicherungseinsätze der Vereinten Nationen eine Vielzahl von Aufgaben im Zusammenhang mit dem Schutz von Zivilpersonen wahrgenommen worden. So haben sie von Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung abgehalten, Stabilität gewährleistet und einen politischen Aussöhnungsprozeß gefördert, Bemühungen um den Aufbau von Institutionen, so auch auf dem Gebiet der Menschenrechte und der Rechtsdurchsetzung unterstützt, Mitarbeiter humanitärer Organisationen geschützt und humanitäre Hilfsgüter ausgeliefert, die Sicherheit und Neutralität in den Flüchtlingslagern gewahrt, namentlich durch Trennung von Kombattanten und Nichtkombattanten, "Sicherheitszonen" zum Schutz der Zivilbevölkerung aufrechterhalten sowie von Mißbräuchen abgeschreckt und ihnen entgegengewirkt, so auch durch die Festnahme von Kriegsverbrechern.
58. In der Vergangenheit sind Schwierigkeiten aufgetreten, wenn vorgesehen war, Teile eines Friedenssicherungsmandats auch mit der Durchführung von Zwangsmaßnahmen zu betrauen, wenn die Mandate nicht eindeutig festgelegt waren oder wenn unzureichende Mittel zur Erfüllung der Aufgabe bereitgestellt wurden. Es ist daher wichtig, eine klare Abgrenzung vorzunehmen zwischen denjenigen Aufgaben, die mit einer bescheidenen Präsenz wahrgenommen werden können, denjenigen, die eine glaubwürdige Abschreckungskapazität erfordern, und denjenigen, die Zwangsmaßnahmen erfordern.
1. Bereitstellung von Ressourcen und Unterstützung
60. In der Regel hängt die Wirksamkeit jedweder Operation in hohem Maße davon ab, ob sie in der Lage ist, die für die Wahrnehmung eines Mandats notwendigen Ressourcen rasch zum Einsatz zu bringen. Trifft eine Operation ohne diese notwendige Kapazität im Feld ein, so begrenzt dies nicht nur ihre praktische Wirksamkeit, sondern untergräbt auch ihre politische Tragfähigkeit. Eine Mission, die von Beginn ihrer Dislozierung an als stark empfunden wird, läuft weitaus weniger Gefahr, auf die Probe gestellt zu werden, als eine Mission, die anfänglich als schwach oder ineffektIV angesehen wird.
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
28. die Vereinten Nationen durch entsprechende Maßnahmen besser zu befähigen, Einsätze rasch zu planen und zu entsenden. Dazu gehört eine verbesserte Beteiligung am System der Verfügungsbereitschaftsabkommen der Vereinten Nationen, unter anderem durch Erhöhung der Zahl der Zivilpolizisten und des fachlich spezialisierten Zivilverwaltungs- und humanitären Personals. Schnell dislozierbare Militär- und Polizeieinheiten sind ebenfalls erforderlich. Ebenso unerläßlich ist die Fähigkeit, schnell einen Missionsstab zu dislozieren;
29. dafür Sorge zu tragen, daß diese Einheiten auf dem Gebiet der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, einschließlich der Bestimmungen betreffend Kinder und geschlechtsspezifische Fragen, auf dem Gebiet der zivil-militärischen Koordination und der Kommunikations- und Verhandlungsfähigkeiten ausgebildet sind.
2. Einhaltung internationaler Normen im Rahmen der Einsätze der Vereinten Nationen
61. Die Präsenz und die Tätigkeit der Friedenssicherungskräfte der Vereinten Nationen in instabilen Gebieten rund um die Welt haben erheblich zum Schutz von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten beigetragen. Zahllose junge Männer und Frauen haben sich uneigennützig in den Dienst dieser Sache gestellt und manche haben dafür ihr Leben hingegeben. Um Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten zu schützen sowie die Legitimität der Friedenssicherungseinsätze und ihres Personals und die Achtung vor diesen zu wahren, müssen wir uns mit den Fällen befassen, in denen sich Friedenssicherungskräfte unannehmbaren Verhaltens schuldig machen, namentlich Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung. Ich habe den truppenstellenden Staaten eine Reihe von Texten über Verhaltensgebote und Verhaltenskodizes auf dem Gebiet der Menschenrechte zur Verfügung gestellt. Es ist wichtig, daß in einzelstaatlichen Ausbildungsprogrammen gebührendes Gewicht auf diese Verpflichtungen gelegt wird. Außerdem habe ich vor kurzem ein Bulletin des Generalsekretärs über die Einhaltung des humanitären Völkerrechts durch die Angehörigen der Truppen der Vereinten Nationen herausgegeben, das sie darüber aufklärt, welchen Grundprinzipien und Grundregeln die Mittel und Methoden der Kriegführung und der Schutz von Zivilpersonen und anderen geschützten Personen unterliegen. Ich zähle darauf, daß der Sicherheitsrat meinen künftigen Ersuchen um die Einbeziehung von Ombudspersonen und, nach Bedarf, einer Stelle mit Untersuchungsfunktionen in die Friedenssicherungseinsätze der Vereinten Nationen angemessene Unterstützung zuteil werden läßt.
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
30. die Wichtigkeit der Einhaltung des humanitären Völkerrechts und des Rechts auf dem Gebiet der Menschenrechte bei der Durchführung aller Friedenssicherungseinsätze hervorzuheben, indem er den Mitgliedstaaten eindringlich nahelegt, ihrem bei Friedenssicherungseinsätzen der Vereinten Nationen diensttuenden Personal und denjenigen, die an genehmigten, unter einzelstaatlicher oder regionaler Befehlsgewalt und Kontrolle durchgeführten Einsätzen teilnehmen, die entsprechenden Anweisungen zu erteilen;
31. die Ernennung einer öffentlichen Ombudsperson bei allen Friedenssicherungseinsätzen zu unterstützen, die den Auftrag hat, sich mit den Beschwerden der Öffentlichkeit über das Verhalten von Friedenssicherungskräften der Vereinten Nationen zu befassen und gegebenenfalls eine Ad-hoc-Ermittlungskommission einzusetzen, die Meldungen über Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und das Recht auf dem Gebiet der Menschenrechte untersucht, die angeblich von Angehörigen der Truppen der Vereinten Nationen begangen wurden;
32. die truppenstellenden Mitgliedstaaten zu ersuchen, dem Sekretariat der Vereinten Nationen über die Strafverfolgungsmaßnahmen Bericht zu erstatten, die gegen Angehörige ihrer Streitkräfte ergriffen wurden, die gegen das humanitäre Völkerrecht und das Recht auf dem Gebiet der Menschenrechte verstoßen haben, während sie im Dienst der Vereinten Nationen standen;
33. nach Bedarf bereits dann eine Friedenssicherungspräsenz einzurichten, wenn eine Flüchtlings- und Vertriebenenbewegung gerade einsetzt, um sicherzustellen, daß die Flüchtlinge und Vertriebenen sich in Lagern niederlassen können, die nicht der Gefahr der Drangsalierung oder Infiltration durch bewaffnete Elemente ausgesetzt sind.
3. Kooperation mit anderen Akteuren
62. Die Vereinten Nationen begrüßen die Möglichkeit der Mitwirkung an regionalen und subregionalen Bemühungen, wenn dadurch ein Beitrag zur Verhütung, Bewältigung oder Lösung von Konflikten geleistet wird. Gleichzeitig sind damit einige offensichtliche Einschränkungen und Probleme verbunden. Die regionalen Organisationen sehen sich häufig planungstechnischen, strukturellen oder finanziellen Zwängen gegenüber, die schwerwiegender sind als diejenigen, mit denen die Vereinten Nationen konfrontiert sind. Dies kann in unterschiedlichen Konfliktsituationen zu ungleichen Reaktionen führen. Außerdem besteht die Sorge, daß unangemessene Maßnahmen im Namen der Organisation ergriffen werden könnten, wenn ein Einsatz genehmigt wird, ohne daß die Vereinten Nationen eine Aufsichtsfunktion ausüben.
63. Im Rahmen seiner Folgemaßnahmen zu dem Bericht über Konfliktursachen und die Förderung dauerhaften Friedens und einer nachhaltigen Entwicklung in Afrika hat der Sicherheitsrat den potentiellen Beitrag der regionalen Organisationen anerkannt und erneute Anstrengungen zur Verstärkung ihrer Kapazität gefordert. Gleichzeitig hat der Sicherheitsrat eine Reihe von Maßnahmen aufgezeigt, die dazu beitragen können, einigen der oben angesprochenen Anliegen gerecht zu werden (S/PRST/1998/35). Der Sicherheitsrat hat betont, daß regionale Einsätze sicherstellen müssen, daß ihr Personal das Völkerrecht, namentlich das humanitäre Recht, die Menschenrechte und das Flüchtlingsrecht, achtet und befolgt. In diesem Zusammenhang hat der Sicherheitsrat seine Unterstützung für die Aufnahme ziviler Elemente unterstrichen, beispielsweise in der Auseinandersetzung mit politischen und Menschenrechtsfragen, und anerkannt, daß die gemeinsame Dislozierung einer Friedenssicherungstruppe der Vereinten Nationen einen wichtigen Beitrag leisten kann.
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
34. zu bestätigen, daß regionale Organisationen in der Lage sind, einen Einsatz im Einklang mit den internationalen Regeln und Normen durchzuführen, bevor er dessen Dislozierung genehmigt, und Mechanismen zu schaffen, die dem Rat eine wirksame Überwachung derartiger Einsätze ermöglichen.
H. Trennung der Kombattanten und bewaffneten Elemente von den Zivilpersonen in den Lagern
64. Wenn die nationalen Sicherheitsorgane eines Gaststaates nicht in der Lage sind, in den für Binnenvertriebene oder Flüchtlinge bestimmten Lagern die Kombattanten oder bewaffneten Elemente von den Zivilpersonen zu trennen, ist es unabdingbar, daß internationale Anstrengungen unternommen werden, um den humanitären Charakter dieser Lager wiederherzustellen. Der Rat hat diese Frage in seiner Aussprache über den Bericht des Generalsekretärs betreffend den Schutz humanitärer Hilfsmaßnahmen für Flüchtlinge und andere Personen in Konfliktsituationen (S/1998/883) behandelt. Als Ergebnis dieser Konsultationen wurden dem Rat einige Optionen vorgeschlagen, die den konkreten Gegebenheiten jeder Situation angepaßt sind. Die Modalitäten der Umsetzung der folgenden Empfehlungen werden weitere Konsultationen zwischen der Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze, dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen und den truppenstellenden Ländern erfordern.
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
35. internationale Militärbeobachter zur Überwachung der Situation in den Binnenvertriebenen- und Flüchtlingslagern zu entsenden, wenn dort die Anwesenheit von Waffen, Kombattanten und bewaffneten Elementen vermutet wird. Wenn sich diese Vermutung bestätigt und die jeweiligen nationalen Streitkräfte weder eingreifen können noch wollen, sollte der Sicherheitsrat die verschiedenen Optionen erwägen, die ich in dem Dokument S/1998/883 dargestellt habe. Dies könnte die Entsendung regionaler oder internationaler Militärkräfte bedeuten, die bereit sind, wirksame Maßnahmen zum Schutz von Zivilpersonen zu ergreifen. Zu diesen Maßnahmen könnte die Zwangsentwaffnung der Kombattanten oder bewaffneten Elemente gehören;
36. internationale Unterstützung zugunsten der einzelstaatlichen Sicherheitskräfte zu mobilisieren, die je nach Bedarf von logistischer und operatIVer Unterstützung bis zu technischer Beratung, Schulung und Beaufsichtigung reicht;
37. internationale Unterstützung für die Verlegung zu dicht an der Grenze zu den Herkunftsländern der Flüchtlinge befindlicher Lager an Standorte in sicherer Entfernung von der Grenze zu mobilisieren.
I. Entwaffnung und Demobilisierung
65. Die Vielzahl von Waffen, die sich Konfliktparteien verschaffen können, insbesondere Kleinwaffen und leichte Waffen, trägt erheblich zu der Zahl und Intensität der bewaffneten Konflikte auf der ganzen Welt sowie zu Verstößen gegen unterzeichnete Friedensregelungen bei. Der Entwaffnung und Demobilisierung der Kombattanten muß in jedem Friedenssicherungs-/ Friedenskonsolidierungseinsatz der Vereinten Nationen höchste Priorität eingeräumt werden. Ich verweise diesbezüglich auf die wertvollen Leitlinien in der Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats vom 8. Juli 1999 (S/PRST/1999/21).
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
38. sicherzustellen, daß die Friedensabkommen und die Mandate aller Friedenssicherungsmissionen der Vereinten Nationen, wo angebracht, konkrete Maßnahmen zur Entwaffnung und Demobilisierung sowie zur Zerstörung überflüssiger Waffen und Munition enthalten und daß frühzeitig ausreichende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. In diesem Zusammenhang sollte die Demobilisierung und Wiedereingliederung von Kindersoldaten besondere Beachtung finden.
J. Humanitäre Zonen, Sicherheitszonen und Sicherheitskorridore
66. Die Schaffung von humanitären Zonen, Sicherheitszonen und Sicherheitskorridoren wird der Schutzproblematik gerecht, indem bestimmte Gebiete oder Routen entweder durch eine mit Zustimmung der Parteien getroffene Vereinbarung neutralisiert (humanitäre Zonen) oder unter Gewalteinsatz gesichert werden (Sicherheitszonen). Die Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit, insbesondere in Bosnien und Herzegowina, machen deutlich, daß die humanitären, sicherheitsbezogenen und politischen Implikationen der Schaffung von Zonen zum Schutz von Zivilpersonen besser verstanden werden müssen.
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
39. in Situationen, in denen die Zivilbevölkerung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen bedroht wird, als letztes Mittel vorübergehende Sicherheitszonen und Sicherheitskorridore zum Schutz von Zivilpersonen und zur Auslieferung von Hilfsgütern einzurichten, mit der klaren Maßgabe, daß vor der Schaffung solcher Einrichtungen ein ausreichendes und glaubwürdiges Gewaltpotential zur Gewährleistung der Sicherheit der sie in Anspruch nehmenden Zivilbevölkerung zur Verfügung stehen muß, und die Entmilitarisierung dieser Zonen und das Vorhandensein einer sicheren Evakuierungsoption sicherzustellen.
K. Intervention im Falle von systematischen und weitverbreiteten Verstößen gegen das Völkerrecht
67. Schutzmechanismen hängen in erster Linie von der Bereitschaft der staatlichen und nichtstaatlichen Akteure ab, das anwendbare Völkerrecht zu achten. In Situationen, in denen die Konfliktparteien systematische und weitverbreitete Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und das Recht auf dem Gebiet der Menschenrechte begehen, die die Gefahr von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen heraufbeschwören, sollte der Sicherheitsrat darauf vorbereitet sein, nach Kapitel VII der Charta einzugreifen. Die Anwendung von Zwangsmaßnahmen sollte als letztes Mittel zum Schutz der Zivilbevölkerung vor unmittelbarer Lebensgefahr und zur Gewährleistung der sicheren Durchfahrt humanitärer Konvois gelten.
Ich empfehle dem Sicherheitsrat,
40. bei Vorliegen massenhafter und fortlaufender Verstöße die Verhängung geeigneter Zwangsmaßnahmen zu erwägen. Bevor er in solchen Fällen mittels im Rahmen der Vereinten Nationen beziehungsweise auf regionaler oder multinationaler Ebene getroffener Vereinbarungen tätig wird und mit dem Ziel, die politische Unterstützung für solche Maßnahmen zu verstärken, das Vertrauen in ihre Legitimität zu erhöhen und jedwedem Eindruck der SelektIVität oder Voreingenommenheit gegenüber der einen oder anderen Region entgegenzuwirken, sollte der Rat die folgenden Faktoren berücksichtigen:
a) das Ausmaß und die Art der Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, einschließlich der Anzahl der betroffenen Personen;
b) die Unfähigkeit der örtlichen Behörden, die rechtliche Ordnung aufrechtzuerhalten, oder das Vorliegen einer systematischen Mittäterschaft dieser Behörden;
c) die Erschöpfung friedlicher oder auf Konsens beruhender Anstrengungen zur Behebung der Situation;
d) die Fähigkeit des Sicherheitsrats, die ergriffenen Maßnahmen zu überwachen;
e) die begrenzte und verhältnismäßige Anwendung von Gewalt, unter Berücksichtigung der möglichen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung und die Umwelt.
68. In diesem Bericht habe ich ein nüchternes Bild der Realität, mit der Zivilpersonen in Situationen bewaffneten Konflikts konfrontiert sind, und der Herausforderungen gezeichnet, die diese Situationen für die internationale Gemeinschaft darstellen. Ich habe dem Sicherheitsrat präzise Maßnahmen empfohlen, die die Konfliktparteien dazu zwingen sollen, die Rechte zu achten, die Zivilpersonen durch Völkerrecht und Konvention garantiert werden. Die Not von Zivilpersonen kann nicht länger vernachlässigt oder mit dem Argument hintangestellt werden, daß sonst politische Verhandlungen oder Interessen beeinträchtigt würden. Es handelt sich hier um einen grundlegenden Bestandteil des Kernmandats der Vereinten Nationen. Die Verantwortung für den Schutz von Zivilpersonen kann nicht an andere übertragen werden. Die Vereinten Nationen sind die einzige internationale Organisation, die über die Reichweite und Autorität verfügt, um diesen Praktiken ein Ende zu setzen. Ich fordere den Sicherheitsrat nachdrücklich auf, sich dieser Aufgabe voll und ganz zu widmen.
69. Zu meiner Genugtuung hat der Reformprozeß der Vereinten Nationen in den letzten beiden Jahren die allgemeine Erkenntnis erbracht, daß es eines umfassenden und integrierten Ansatzes zur Krisenbewältigung bedarf, der die Bemühungen der Akteure aus den Bereichen Politik, humanitäre Hilfe, Entwicklung und Menschenrechte in einem einvernehmlichen Aktionsrahmen vereint. Bei diesen Bemühungen kommt eindeutig dem Sicherheitsrat die Führungsrolle zu. Wir erwarten von ihm, die Gesamtkonzeption zur Krisenbeilegung zu entwickeln und alle Teile des Systems der Vereinten Nationen, die regionalen Kräfte, die bilateralen Akteure, die Regierungen und die nichtstaatlichen Akteure in den betroffenen Ländern sowie die Zivilgesellschaft, namentlich die internationalen nichtstaatlichen Organisationen und den PrIVatsektor, zu engster Zusammenarbeit und Koordination zu ermutigen. Ich begrüße es, daß der Rat den humanitären Aspekten von Konflikten vermehrtes Interesse entgegenbringt, und sehe einer noch engeren Zusammenarbeit in der Zukunft entgegen.
70. In diesem Bericht habe ich dem Sicherheitsrat konkrete Empfehlungen unterbreitet, die eine breite Vielzahl von InitiatIVen umfassen. Ich bin der Überzeugung, daß jede dieser Empfehlungen in einigen oder allen Situationen zum Schutz von Zivilpersonen beitragen kann. Besondere Aufmerksamkeit möchte ich indessen auf neun Vorschläge lenken, die ich für besonders wichtig halte. Als erstes sind zwei Empfehlungen zu nennen, die darauf abzielen, die Fähigkeit des Rates und der Vereinten Nationen, von bewaffneten Konflikten betroffene Zivilpersonen zu schützen, auf Dauer zu verbessern. Es handelt sich um die Empfehlungen,
1. die Vereinten Nationen durch entsprechende Maßnahmen besser zu befähigen, Einsätze rasch zu planen und zu entsenden. Dazu gehört eine verbesserte Beteiligung am System der Verfügungsbereitschaftsabkommen der Vereinten Nationen, unter anderem durch Erhöhung der Zahl der Zivilpolizisten und des fachlich spezialisierten Zivilverwaltungs- und humanitären Personals. Schnell dislozierbare Militär- und Polizeieinheiten sind ebenfalls erforderlich. Ebenso unerläßlich ist die Fähigkeit, schnell einen Missionsstab zu dislozieren (Empfehlung 28);
2. einen ständigen Mechanismus zur technischen Überprüfung der Sanktionsregime der Vereinten Nationen und der regionalen Sanktionsregime zu schaffen, der mittels Informationen, die von den Ratsmitgliedern, den zuständigen Finanzinstitutionen, dem Sekretariat, den Organisationen und sonstigen humanitären Akteuren bereitgestellt werden, feststellen kann, wie sich Sanktionen voraussichtlich auf Zivilpersonen auswirken werden (Empfehlung 23).
71. An zweiter Stelle stehen vier Empfehlungen, die der Sicherheitsrat umsetzen könnte, wenn eingegangene Informationen darauf schließen lassen, daß Gewalt gegen Zivilpersonen unmittelbar bevorsteht. Es handelt sich um die Empfehlungen,
3. in Situationen, in denen die Konfliktparteien Zivilpersonen und geschützte Personen zur Zielscheibe machen oder nachweislich systematische und weitverbreitete Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte begehen, so auch indem sie Kindersoldaten rekrutieren, Waffenembargos zu verhängen und die Mitgliedstaaten nachdrücklich aufzufordern, die Einhaltung dieser Embargos in ihrem nationalen Herrschaftsbereich durchzusetzen (Empfehlung 26);
4. in bestimmten Fällen einen präventIVen Friedenssicherungseinsatz oder eine andere präventIVe Überwachungspräsenz zu erwägen (Empfehlung 12);
5. verstärkten Gebrauch von gezielten Sanktionen zu machen, um diejenigen, die schwerste Verletzungen des humanitären Völkerrechts und des Rechts auf dem Gebiet der Menschenrechte begehen, sowie die Konfliktparteien, die die Resolutionen des Sicherheitsrats kontinuierlich mißachten und sich auf diese Weise über seine Autorität hinwegsetzen, abzuschrecken und in Schranken zu halten (Empfehlung 22);
6. internationale Militärbeobachter zur Überwachung der Situation in den Binnenvertriebenen- und Flüchtlingslagern zu entsenden, wenn dort die Anwesenheit von Waffen, Kombattanten und bewaffneten Elementen vermutet wird. Wenn sich diese Vermutung bestätigt und die jeweiligen nationalen Streitkräfte weder eingreifen können noch wollen, sollten regionale oder internationale Militärkräfte entsandt werden, die bereit sind, wirksame Maßnahmen zur Zwangsentwaffnung der Kombattanten oder bewaffneten Elemente zu ergreifen (Empfehlung 35).
72. Schließlich lege ich drei Empfehlungen vor, die darauf abzielen, das Leid der Zivilpersonen in den Situationen zu lindern, in denen der Konflikt bereits ausgebrochen ist und Zivilpersonen zur Zielscheibe gemacht werden. Hier empfehle ich dem Rat,
7. bei Beginn eines Konflikts in seinen Resolutionen zu unterstreichen, daß die Zivilbevölkerung unbedingt uneingeschränkten Zugang zu humanitärer Hilfe haben muß und daß die betroffenen Parteien, einschließlich der nichtstaatlichen Akteure, hinsichtlich der Gewährung dieses Zugangs voll mit dem Koordinator der Vereinten Nationen für humanitäre Maßnahmen zusammenarbeiten und die Sicherheit der humanitären Organisationen im Einklang mit den Grundsätzen der Humanität, der Neutralität und der Unparteilichkeit garantieren müssen, sowie nachdrücklich zu betonen, daß bei Nichtfolgeleistung gezielte Sanktionen verhängt werden (Empfehlung 18);
8. nach Bedarf sicherzustellen, daß Friedenssicherungs- und Friedensdurchsetzungsmissionen befugt und ausgerüstet sind, Hetzmedien unter Kontrolle zu bringen oder ihre Einrichtungen zu schließen (Empfehlung 16);
9. bei Vorliegen massenhafter und fortlaufender Verstöße die Verhängung geeigneter Zwangsmaßnahmen zu erwägen. Bevor er in solchen Fällen mittels im Rahmen der Vereinten Nationen beziehungsweise auf regionaler oder multinationaler Ebene getroffener Vereinbarungen tätig wird und mit dem Ziel, die politische Unterstützung für solche Maßnahmen zu verstärken, das Vertrauen in ihre Legitimität zu erhöhen und jedwedem Eindruck der SelektIVität oder Voreingenommenheit gegenüber der einen oder anderen Region entgegenzuwirken, sollte der Rat die folgenden Faktoren berücksichtigen:
a) das Ausmaß und die Art der Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, einschließlich der Anzahl der betroffenen Personen;
b) die Unfähigkeit der örtlichen Behörden, die rechtliche Ordnung aufrechtzuerhalten, oder das Vorliegen einer systematischen Mittäterschaft dieser Behörden an den Verstößen;
c) die Erschöpfung aller friedlichen oder auf Konsens beruhenden Anstrengungen zur Behebung der Situation;
d) die Fähigkeit des Sicherheitsrats, die ergriffenen Maßnahmen zu überwachen;
e) die begrenzte und verhältnismäßige Anwendung von Gewalt, unter Berücksichtigung der möglichen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung und die Umwelt (Empfehlung 40).
73. Trotz der Vorrangstellung von Rechtsvorschriften, Normen und Grundsätzen ist es oft notwendig, zunächst den persönlichen Schutz und dann erst den rechtlichen Schutz zu gewährleisten. Der Rat muß rasch handeln, um diesen Grundsatz zu verwirklichen. Ich begrüße es, daß der Rat um diesen Bericht ersucht hat, und ich hoffe aufrichtig, daß er allen darin enthaltenen Empfehlungen seine volle Aufmerksamkeit schenkt. Es wird wichtig sein, einen einvernehmlichen Mechanismus und Zeitplan für Folgemaßnahmen und Überprüfungen festzulegen. Ich stehe bereit, dem Rat regelmäßig über die erzielten Fortschritte Bericht zu erstatten.
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