IV. AUFGABEN DER RICHTER
A. Einstweilige Anordnung auf einseitigen Antrag
26. Eine einstweilige Anordnung kann auf Antrag eines Gewaltopfers erlassen
werden, wenn der Beschuldigte es vorzieht, nicht vor Gericht zu erscheinen,
beziehungsweise wenn er nicht geladen werden kann, weil er sich verborgen
hält. Eine einstweilige Anordnung kann eine einstweilige Verfügung
enthalten, die es dem Täter/Beschuldigten untersagt, weitere Gewalt
anzuwenden, beziehungsweise ihn daran hindert, das Opfer/die Klägerin
in der Nutzung wesentlicher Güter, insbesondere des gemeinsamen Heims,
zu stören.
27. Außerdem ist zu empfehlen, daß neben dem Gewaltopfer
einem breiteren Personenkreis die Möglichkeit eingeräumt wird,
Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu stellen. Es ist
vorstellbar, daß das Opfer unter Umständen nicht in der Lage
ist, sich an die Gerichte zu wenden. Es ist außerdem denkbar, daß
Zeugen und Helfende sich selbst der Gefahr der Gewaltanwendung aussetzen.
28. Besteht schwere Gefahr für Leib und Leben und Wohl des Opfers
und kann die Sicherheit des Opfers nicht gewährleistet werden, bis
eine gerichtliche Verfügung ergangen ist, kann das Opfer/die Klägerin,
ein Verwandter oder Sozialarbeiter beim diensthabenden Richter/Amtsrichter
einen Antrag auf dringliche Abhilfemaßnahmen stellen, so etwa auf
Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegen den Täter binnen
24 Stunden nach der Gewalthandlung.
29. Die auf einseitigen Antrag erlassene einstweilige Anordnung kann:
i) den Täter zwingen, das Heim der Familie zu verlassen;
ii) den Zugang des Täters zu den Kindern, für die er sorgeberechtigt
ist, zu regeln;
iii) es dem Täter untersagen, mit dem Opfer an seiner Arbeitsstätte
oder an anderen Orten Kontakt aufzunehmen, an denen das Opfer verkehrt;
iv) den Täter zwingen, die Arzt-/Krankenhausrechnungen des Opfers
zu begleichen;
v) die einseitige Veräußerung gemeinsamer Vermögenswerte
unterbinden;
vi) das Opfer und den Täter davon in Kenntnis setzen, daß
der Täter bei Verstoß gegen die einstweilige Anordnung festgenommen
und strafrechtlich belangt werden kann;
vii) das Opfer davon in Kenntnis setzen, daß es unbeschadet des
Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach den Rechtsvorschriften betreffend
häusliche Gewalt bei der Staatsanwaltschaft Strafantrag gegen den
Täter stellen kann;
viii) das Opfer davon in Kenntnis setzen, daß es unbeschadet des
Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach den Rechtsvorschriften betreffend
häusliche Gewalt und des Antrags auf Einleitung eines Strafverfahrens
einen Zivilprozeß anstrengen und auf Scheidung, Trennung, Schadenersatz
oder Entschädigung klagen kann;
ix) von beiden Parteien verlangen, daß sie fortlaufend ihrer Pflicht
nachkommen, das Gericht von jedwedem Verfahren zur Erwirkung einer Schutzverfügung,
von einem Zivilverfahren, einem Jugendgerichtsverfahren, und/oder einem
Strafverfahren, an dem die eine oder andere Partei beteiligt ist, in Kenntnis
zu setzen.
30. Eine dringliche Abhilfemaßnahme, so auch eine auf einseitigen
Antrag erlassene einstweilige Anordnung, bleibt bis zum Erlaß einer
gerichtlichen Verfügung, jedoch nicht länger als 10 Tage, in
Kraft.
31. Die Klägerin muß davon in Kenntnis gesetzt werden,
a) daß sie unbeschadet des Bestehens einer einstweiligen Anordnung
nach den Rechtsvorschriften betreffend häusliche Gewalt eine gerichtliche
Verfügung zum Schutz vor weiterer Gewalt beziehungsweise die Erneuerung
einer solchen Verfügung beantragen und/oder bei der Staatsanwaltschaft
Strafantrag gegen den Beschuldigten stellen kann;
b) daß ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung
ihr Recht auf Inanspruchnahme anderer zivilrechtlicher Rechtsschutzmittel,
so auch das Recht, einen gerichtlichen Trennungsbeschluß zu erwirken
beziehungsweise auf Scheidung oder Schadenersatz zu klagen, unberührt
läßt;
c) daß der Beschuldigte binnen 24 Stunden nach entsprechender
Benachrichtigung der Klägerin die Aufhebung oder Änderung der
einstweiligen Anordnung beantragen kann.
32. Die Nichtbefolgung einer einstweiligen Anordnung auf einseitigen
Antrag zieht Strafverfolgung wegen Mißachtung des Gerichts, eine
Geldstrafe und eine Freiheitsstrafe nach sich.
B. Schutzverfügung
33. Ein Antrag auf Erlaß einer Schutzverfügung kann von dem
Opfer, einem Verwandten, einem Sozialarbeiter oder einer Person gestellt
werden, die dem Opfer häuslicher Gewalt Beistand leistet.
34. Eine Schutzverfügung kann nach Ablauf einer einstweiligen Anordnung
oder unabhängig davon beantragt werden.
35. Eine Schutzverfügung kann dazu dienen, das Opfer, einen Verwandten,
einen Sozialarbeiter oder eine Person, die dem Opfer häuslicher Gewalt
Beistand leistet, vor weiterer Gewalt oder Gewaltandrohung zu schützen.
36. Die Richter sollen gehalten sein, binnen 10 Tagen nach Anzeigeerstattung
und Beantragung einer Schutzverfügung eine mündliche Verhandlung
durchzuführen.
37. Die Richter sollen sich an die in der Erklärung der Rechte
des Opfers enthaltenen Bestimmungen halten.
38. Durch eine gerichtliche Verfügung können alle oder einige
der nachstehenden Abhilfen geschaffen werden. Durch sie kann
a) es dem Täter/Beschuldigten untersagt werden, dem Opfer/der Klägerin,
von ihr abhängigen Angehörigen, anderen Angehörigen und
sonstigen Personen, die ihr Beistand vor häuslichem Mißbrauch
leisten, weitere Gewalt zuzufügen;
b) der Beschuldigte angewiesen werden, das Heim der Familie zu verlassen,
ohne daß dadurch eine Entscheidung über das Eigentum an solchen
Vermögenswerten getroffen wird;
c) der Beschuldigte angewiesen werden, weiter die Miete oder Hypothek
zu zahlen und der Klägerin und den Personen, für die sie gemeinsam
sorgeberechtigt sind, Unterhalt zu zahlen;
d) der Beschuldigte angewiesen werden, der Klägerin die Benutzung
eines Autos und/oder anderer wesentlicher persönlicher Güter
zu überlassen;
e) der Zugang des Beschuldigten zu den Kindern, für die er sorgeberechtigt
ist, geregelt werden;
f) es dem Beschuldigten untersagt werden, mit der Klägerin an ihrer
Arbeitsstätte oder an anderen Orten, an denen sie verkehrt, Kontakt
aufzunehmen;
g) soweit befunden wird, daß der Gebrauch oder der Besitz einer
Waffe durch den Beschuldigten eine schwere Gefahr für die Klägerin
darstellen kann, dem Beschuldigten verboten werden, eine Schußwaffe
oder jede andere vom Gericht benannte Waffe zu erwerben, zu gebrauchen
oder zu besitzen;
h) der Beschuldigte angewiesen werden, die Arzt-/Krankenhausrechnungen,
Beratungshonorare und die Beherbergungsgebühren der Klägerin
zu begleichen;
i) die einseitige Veräußerung gemeinsamer Vermögenswerte
verboten werden;
j) die Klägerin und der Beschuldigte davon in Kenntnis gesetzt
werden, daß der Beschuldigte bei Verstoß gegen die einstweilige
Anordnung mit und ohne Haftbefehl festgenommen und strafrechtlich belangt
werden kann;
k) die Klägerin davon in Kenntnis gesetzt werden, daß sie
unbeschadet des Bestehens einer einstweiligen Anordnung nach den Rechtsvorschriften
betreffend häusliche Gewalt bei der Staatsanwaltschaft Strafantrag
gegen den Beschuldigten stellen kann;
l) die Klägerin davon in Kenntnis gesetzt werden, daß sie
unbeschadet des Bestehens einer einstweiligen Anordnung nach den Rechtsvorschriften
betreffend häusliche Gewalt einen Zivilprozeß anstrengen und
auf Scheidung, Trennung, Schadenersatz oder Entschädigung klagen
kann;
m) mittels mündlicher Verhandlungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit
die Privatsphäre der Parteien geschützt werden.
39. Die Beweislast liegt beim Beschuldigten, der nachweisen muß,
daß keine häusliche Gewalt stattgefunden hat.
40. Die Richter sollen veranlassen, daß Ausfertigungen aller Schutzverfügungen/einstweiligen
Anordnungen binnen 24 Stunden nach ihrem Erlaß an die Polizeibezirke
übermittelt werden, in denen die Klägerin und die durch die
Verfügung/Anordnung geschützten Personen wohnhaft sind.
41. Die Befolgung einer Schutzverfügung ist polizeilich und gerichtlich
zu überwachen. Ein Verstoß gegen eine Schutzverfügung
ist ein Verbrechen. Nichtbefolgung zieht eine Geldstrafe, ein Verfahren
wegen Mißachtung des Gerichts und eine Freiheitsstrafe nach sich.
42. Gibt die Klägerin eine eidesstattliche Versicherung ab, daß
sie nicht über die Mittel verfügt, um die Kosten der Beantragung
einer einstweiligen Anordnung auf einseitigen Antrag oder einer Schutzverfügung
zu bestreiten, wird die Anordnung/Verfügung gebührenfrei erlassen.
43. Stellt die Klägerin einen bösgläubigen oder ungerechtfertigten
Antrag auf Erlaß einer Schutzverfügung, so kann sie vom Gericht
zur Zahlung der entstandenen Kosten und eines Schadenersatzes an den Beschuldigten
veranlagt werden.
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